Aufarbeitung eines Solinger Jagdtaschenmessers

  • Moin,


    ich hatte die Tage auf einer Auktionsplattform für sehr kleines Geld ein altes Robert Klaas erstanden. Die Bilder waren geschickt so schlecht aufgenommen dass sich der Zustand des Messers nur erahnen ließ.


    Zunächst hoffnungsvoll ein Schnäppchen gemacht zu haben kam bei Ankunft des Messers die Ernüchterung. Denn der geringe Preis war durchaus gerechtfertigt. 😆


    Die Klinge hatte extremes Spiel, weil die Achsniete weder ihr noch den Platinen und Backen ausreichenden Halt bot und sich alles frei wackelnd bewegte – ein regelrechter Lämmerschwanz.

    Die Schneide war vor dem Ricasso stark überschliffen und glich insgesamt einer Berglandschaft. Die Riefen eines sehr groben Schleifmediums waren überall sichtbar. Im Bereich der Spitze war die Schneidkante buchstäblich platt.


    Voller Tatendrang habe ich mich direkt ans Werk gemacht, ohne den vorherigen Zustand in Bildern festzuhalten – mea culpa.

    Hier habe ich aber noch ein paar Aufnahmen vom Urzustand des Messers gefunden:


    Bild1 | Bild2 | Bild3


    Zunächst habe ich die Achse in einem Schraubstock (mit dicken Gummischonern) vorsichtig zusammengedrückt. Die auf beiden Seiten hervorstehende Achsniete habe ich dann mit einem kleinen Hämmerchen beigeschlagen und mit den Backen plangeschliffen – erst auf einer 400er (JIS) Diamantplatte und dann mit 240er (FEPA) Schleifpapier.


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    Bei der Gelegenheit habe ich gleich mit fingerdicken Schleifpapier-Streifen die gröbsten Verunreinigungen und Roststellen von Backen und Feder entfernt.


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    Dann bin ich mit der "Schneidkante" auf der Diamantplatte "Schlittschuh gefahren" bis alle Overgrinds und sonstige Wellen beseitigt waren und ich eine homogene Schneidenlinie erzeugt hatte.


    Als nächstes habe ich die Klinge auf einer groben Diamantplatte vom Rücken bis zur Schneide konvex ausgedünnt und dann mit Schleifpapier quersatiniert.


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    Zum Abschluss mit dem Sharpmaker Quick&Dirty eine winzige Fase angeschliffen und fertig.


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    Ein schönes Wochenende wünsche ich.

  • Tolle Wiederaufbereitung! :thumbup: Wünsche dir viel Spaß mit dem old school Klassiker!

    People are tribal. The more settled things are, the bigger the tribes can be. The churn comes, and the tribes get small again.
    IG: @mgph.edc

  • Ich bin ein großer Fan von alten Jagdmessern und mit deiner Aufarbeitung hast du mich direkt gehabt :buds:

    Super Arbeit und ein Stück Geschichte erhalten :thumbup:

    Vielen Dank fürs zeigen :thumbup:

    Cranium Society Lifetime Member

  • Moin,


    gestern kam mal wieder ein altes Schätzchen in wenig gepflegtem Zustand bei mir an. Ein Altenbach Dreiteiler mit jigged Bone Schalen, für 18€ in einer Auktionsplattform geschossen.

    Der Zustand: im Inneren verdreckt, der Klingengang kratzig, die Klingen verschliffen, stumpf und zerkratzt, die Klingenspitze der Hauptklinge rund.


    Bilder vom ursprünglichen Zustand wieder vergessen – sorry – aber hier noch gefunden.


    Ich hab's direkt in Angriff genommen:

    • Klingen auf Dia-Platte konvex ausgedünnt,
    • mit 240er Schleifpapier quersatiniert,
    • Backen mit Autosol poliert,
    • Messer in Ballistol H1 gebadet und mit Zahnbürste, Pfeifenputzer usw. geschrubbt/gereinigt bis der Klingengang geschmeidig lief und das jigged Bone wieder schimmerte.
    • Klingenspitze der Hauptklinge vom Rücken auf Dia-Platte im Schlittschuhverfahren wiederhergestellt,
    • neue Fase mit Spyderco Sharpmaker dran, fertig.


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    Die Kratzer in der Klingenspitze waren so tief, dass sie immernoch oberflächlich zu sehen sind, weil ich nicht so viel Material von der Spitze abnehmen wollte.


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    Die 75 mm lange Hauptklinge läuft am Rücken von 1,9 mm am Ricasso über 1,3 mm direkt dahinter auf 0,75 mm vor der Spitze aus und schneidet dementsprechend astrein.


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    Der Walk'n'Talk trotz des hohen Alters auf GEC-Niveau.


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    Die Hauptklinge steht spielfrei und zentriert.


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    Die jigged Bone Schalen schimmern transluzent in Rotbrauntönen. Und ich bin zufrieden.

    2 Mal editiert, zuletzt von Bukowski ()

  • Ich hatte vor einiger Zeit diesen Ludwig Groten Bunthorn Dreiteiler mit Klingen aus C-Stahl für kleines Geld aus der Bucht gefischt. Die Hauptklinge ist mit 8,3cm für Solinger Bunthorn Slipjoints relativ lang, deswegen wollte ich es.


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    Der Zustand bei Ankunft war wenig begeisternd. Beide Klingen hatten enormes Spiel, an den versenkten Pins schon fast zu erahnen.


    Also im Straubstock mit Gummieinlagen zusammengepresst und die herausragenden Messingpins ganz vorsichtig mit einem kleinen Hämmerchen beigeschlagen ohne auf's Horn zu kloppen. Die kleine Klinge sitzt jetzt spielfrei. Bei der Hauptklinge ist es noch minimal vorhanden – für Solinger Verhältnisse durchaus im Rahmen. 😋


    Ansonsten Standardbehandlung: Rost grob entfernt/Klingen satiniert, Ölbad, Reinigung, Schliff, fertig.


    Für die Rostentfernung/Klingensatinierung habe ich dieses Mal Klingspor 240er Schleifpapier mit Autosol bestrichen. Das hat für mich ganz gut funktioniert.


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  • Vor einiger Zeit kam ein Gebr. Berns / Otter (aus der Zeit bevor Rainer Morsbach die Marke "Otter" übernommen hatte) wie immer für kleines Geld aus der Bucht.


    Selten so ein versifftes Teil gekauft. Klingen verkratzt, Rückenfedern verrostet, Messing- und Neusilber-Parts innen und außen verfärbt und angegriffen. Aber die Grundsubstanz war noch erhalten. Insbesondere die Hauptklinge war in Länge und Höhe kaum durch Schleifvorgänge geschrumpft worden und hatte nur minimales Spiel in tolerierbarem Rahmen.

    Auch in diesem Zustand offenbarte sich, wie dünn ausgeschliffen und getapered die Solinger Klingen seinerzeit waren.


    Also einmal das volle Programm..

    • Ölbad;
    • Rostentfernung/ Politur sämtlicher außen und innen erreichbarer Metallteile mit einer Mischung aus Autosol und Ballistol H1;
    • Neusilber-Backen, Rückenfedern und Klingen neu satiniert mit 240er Klingspor (auf das ich etwas Autosol gestrichen hatte);
    • Entfernung der Dreck- und Schleifreste mit Pfeifenreiniger, Zahnbürste und abschließend Ballistol H1 "Druckbetankung";
    • den nun konvexen Schliff Quick&Dirty auf dem Spyderco Sharpmaker mit einer neuen Sekundärfase versehen.

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    Schließlich musste ich noch die kleine Fehlschärfe über dem Nagelhau bis zur Klingenspitze rekonstruieren, weil die Klingenspitze rund war und ich sie durch Materialabtrag vom Rücken wieder angespitzt habe:


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    Das ließ sich mit Bedacht auf der großen Diamantplatte bewerkstelligen.


    Begeistert bin ich bei diesem Exemplar wiedereinmal von Struktur und Farbverlauf des Hirschhorns:


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    Das Messer hat übrigens insgesamt 85 g bei knapp 8 cm Länge der Hauptklinge.


    Ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende!

  • Moin,


    diesesmal war es kein Folder sondern ein Fixed – ein Nicker mit Hirschhornschalen und C-Stahlklinge vom ehemaligen Solinger Hersteller Hugo Köller.


    Und diesesmal habe ich Vergleichsbilder vom ursprünglichen Zustand nicht vergessen:


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    Zustand etwas mitgenommen – Korrosions- und grobe Schleifspuren in Längsrichtung – aber mit 0,25mm MWüW alles andere als verbraucht.


    Stark getapered nach vorne und hinten ist es auch:


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    Und die 8,9cm Klingenlänge bei 19cm Gesamtlänge und 72g geben ein feines Hosentaschen-Fixed ab.


    Dazu musste aber zunächst die stark verrundete Spitze rekonstruiert werden:


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    Also habe ich die Klingenspitze auf einer Diamantschleifplatte vom Klingenrücken her wieder angespitzt und ebenda auch die Fehlschärfe auf dem Klingenrücken neu angeschliffen:


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    Dann den Klingenspiegel mit 240er Schleifpapier und Autosol Schleifpaste vorsichtig längssatiniert sodass das Logo erhalten blieb. Den Fingerschutz ebenfalls mit dem Schleifpapier satiniert und das restliche Metall mit Autosol von den gröbsten Rostflecken befreit.


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    Eigentlich mag ich Quersatinierung lieber aber hier wäre die Umsetzung aufgrund der vorgegebenen Schleifspuren des Vorbesitzers ein erheblicher Mehraufwand gewesen. Und da die Klinge ohnehin patiniert habe ich mir eine allzu aufwendige Behandlung geschenkt. 😋


    Kommt gut ins Wochenende!

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