Review: Sacha Thiel PP Commander (Fred Perrin & Philippe Perotti Design)

  • Zum Sacha Thiel PP Commander gibt es hier im Forum schon zwei Reviews: Schifflaken hat das Messer vor zwei Jahren mal vorgestellt - JB1964 hat es kurz darauf mit dem Street Beat verglichen. Hiermit gibt es nun also ein drittes Review. Exakt das von Joachim vorgestellte Exemplar hat nämlich den Weg zu mir gefunden :)
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander.jpg


    Ich habe lange mit dem Spyderco Street Beat geliebäugelt. Die Größe scheint mir perfekt für EDC, die Geometrie scheint ausgesprochen angenehm für IWB-Trageweise zu sein und die Verarbeitung gilt als außerordentlich. Aber trotzdem hat es mich optisch einfach nicht so "gepackt". Vielleicht ist es mir nicht "tacticool" genug, vielleicht hat mir das Finish nicht so zugesagt und vielleicht stören mich letztlich wirklich die mit Pins fest verankerten und dementsprechend nicht entfernbaren Griffschalen (was ich wirklich nicht mag und zu vermeiden versuche). Das Spyderco Street Bowie ist mir dann wiederum viel zu groß. Interessanterweise gibt es seit kurzem das Street Beat Lightweight - tacticool über die Maßen, zu einem spannenden Preis...


    Aber dankenswerterweise war ich mit meiner Ansicht zum Street Beat wohl nicht alleine. Der französische Designer Sacha Thiel (bekannt für seinen Framelock-Folder Officer und sein feststehendes Modell Harfang) arbeitete wohl schon öfter mit Fred Perrin und Philippe Perotti zusammen. Unter anderem stammt das Design des Spyderco PPT (PerrinPerottiThiel) von den drei Designern. Und so ergab es sich wohl auch, dass Thiel sich des Street-Designs der beiden annehmen durfte. Erschaffen hat er eine EDC-taugliche, tacticoole Variante mit längerer Klinge, unempfindlicherem Stonewash-Finish und verschraubten Griffschalen: das Commander¹ - einen haptischen Traum in Stahl und G10. Bei dem Messer handelt es sich um ein Midtech: Die Rohlinge und die Schrauben wurde von Viper by Tecnocut geliefert, S. Thiel hat dann alles Weitere selbst gemacht vom Anschliff über die Wärmebehandlung, die Scales und die Scheide bis hin zum Schärfen. Gefertigt wurden etwa 120 Stück, wobei die genaue Anzahl nicht bekannt ist. Eine Neuauflage wurde dann zwar schnell von vielen gewünscht, jedoch kam es nicht dazu, da S. Thiel wohl der Ansicht war, dass sein Harfang in Design und Haptik deutlich ausgereifter sei. Dazu kann ich nichts sagen, da ich noch keines in der Hand hatte - es sieht jedenfalls spannend aus.
    Vertrieben wurde das PP Commander von S. Thiel selbst, in Frankreich noch zusätzlich von Armes Bastille und in Deutschland exklusiv von Georg Geismar von G-Gear (Forenpartner!). Hiermit möchte ich Georg auch für die Hilfe bei der Recherche zum Commander danken!


    Klinge
    Die Klinge des Commander ist etwa 11,5 cm lang bei einer Schneidenlänge von 10,9 cm. Am Rücken befindet sich eine falsche Schneide, die im Profil jedoch nicht wie bei einem "klassischen" Bowie konkav ist, sondern konvex, also bauchig. Es handelt sich hier also überraschenderweise gar nicht um eine Clippoint-, sondern um eine Droppoint-Klinge. Der Flachschliff geht über etwa 80 % der bis zu 3,2 cm hohen Klinge.
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Klinge.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Ricasso.jpg


    Der Erl geht in voller Stärke von etwa 3,3-3,5 mm durch den Griff.
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Rücken.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Erl.jpg



    Griff
    Die Griffschalen aus angenehm strukturiertem, schwarzem G10 sind gerundet und liegen dank ihrer Dicke von jeweils 6,2 mm sehr angenehm und satt in der Hand. Am hinteren Ende ist ein Lanyard-Loch durch die Schalen und den Erl gebohrt.
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - G10.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Lanyard Hole.jpg


    Die Schalen sind mit vier Schrauben am Erl befestigt. Ein HX2.5-Schlüssel löst die Schrauben unproblematisch. Die Schalen sind zwar nicht verklebt, aber klemmen sehr sehr fest an den innenliegenden Gewindehülsen, die wiederum fest in den Erl verpresst sind, wenn ich das richtig sehe. Eine dünne Klinge bspw. von einem SAK kann man jedoch vorsichtig zwischen den Erl und die Griffschalen schieben und diese dann abhebeln. Der Erl ist großflächig ausgefräst, da wäre jedoch Potential für mehr gewesen. Letztlich führt diese Art der Ausfräsung jedoch zu dem großartigen Schwerpunkt, der hinter der Zeigefingermulde liegt.
    2015-05-31 - Sacha Thiel PP Commander - Scales.jpg 2015-05-31 - Sacha Thiel PP Commander - Schwerpunkt.jpg

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

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  • Tragesystem
    Die Kydex-Scheide ist sehr gut angepasst, jedoch aus sehr dünnem Material. Das bereitet mir grundsätzlich etwas Sorge, weil sich die Scheide bereits beim festen Anschrauben an einen TekLok so sehr verformt, dass sich das Messer nicht mehr ziehen lässt. Das ist aber nur der Fall, wenn man die Scheide am obersten Loch festschraubt. Darunter verformt sich das Kydex zwar, aber es beeinflusst nicht die Retention.
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Kydex.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - TekLok.jpg


    Außerdem war das Kydex am Griff leider fast zu gut angepasst: Hier bot sich für den Daumen keine Möglichkeit, Gegendruck aufzubauen, um das Commander kontrolliert ziehen zu können. Das habe ich mit einem Heißluftföhn schnell in den Griff bekommen. Jetzt lässt es sich ausgesprochen angenehm ziehen.
    Sacha Thiel PP Commander - Kydex-Daumenrampe.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Profil.jpg



    Griffhaltungen
    Das Messer ist ein haptisches Wunder, aber meines Erachtens nur in drei Griffarten. Der Reverse-Griff ist hier übrigens wirklich gut möglich. Beim Street Beat wird ja häufig kritisiert, dass die Mulde zu tief sei, um wirklich bequem reverse greifen zu können. Das hat Sacha Thiel hier auf jeden Fall besser umgesetzt als beim Original-Design.


    Fechtgriff
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Fechtgriff, offen.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Fechtgriff.jpg


    Hammergriff
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Hammergriff, offen.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Hammergriff.jpg


    Reverse-Griff
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Reverse, offen.jpg 2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Reverse.jpg

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

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  • Vergleich
    Spannend finde ich bei Messern ja immer den Vergleich mit gleichgesinnten: hier Dendra Inazuma, Fantoni Contrast Utility Tactical Fixed, Bastinelli Raptor Extremement Dangereux. Das Inazuma hat bei gleicher Klingenlänge weniger Schneide und einen kürzeren Griff. Das C.U.T. hat mehr Klingen- und Schneidenlänge, aber auch einen längeren Griff und ist insgesamt deutlich wuchtiger. Das R.E.D. bietet weniger Klinge bei fast exakt gleicher Gesamtlänge und hat dementsprechend einen etwas längeren Griff.
    2015-05-30 - Sacha Thiel PP Commander - Inazuma, C.U.T., R.E.D..jpg



    Fazit
    Das Commander ist ein großartiges EDC. Ich mag insbesondere das Verhältnis der Griff- zur Klingenlänge. Dazu kommt, dass es sich durch die gerundeten Griffschalen ausgesprochen angenehm unterm Hemd am Gürtel tragen lässt, sowohl IWB als auch bspw. mit einem TekLok. Die geringe Stärke und der hochgezogene Flachschliff machen es zu einem richtigen Schneidteufel, übertroffen in meiner Sammlung nur vom dünneren und höheren Bastinelli R.E.D. Insgesamt liegt es mir aber besser in der Hand und trägt sich angenehmer als der Landsmann. Leider scheinen die beiden Franzosen nicht so gut "Kydex" zu können - das ist auch bei Bastinelli regelmäßig ein Problem, nach allem was man so liest (mein eigenes RED hat ja damals auch ein neues Kleidchen bekommen). Aber Messer machen - das können sie gut!




    ¹ Vom Commander gab es übrigens auch eine SP-Version. Diese unterscheidet sich vom PP meines Wissens dadurch, dass der Griff massiv ist.




    Ein wenig Eigenwerbung: das gleiche Review in meinem Blog.

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

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  • Guten Morgen derLichtschalter


    Zu dieser Stunde, wieder einmal ein 1a Review. :thumbup: Sehr schön zu lesen. Gefällt mir, das Messer von uns Nachbarn.



    LG


    Sacha

    „Wenn du Frieden willst, redest du nicht mit deinen Freunden. Du redest mit deinen Feinden.“

  • Guten Morgen derLichtschalter,


    sehr schönes Review, ich kann ebenfalls nur sagen, das Commander ist ein tolles EDC. Vorallem weil man mit den Griffschalen spielen und recht einfach andere Farben/Materialien anbringen kann. Ich habe mir flachere G10 drangebaut.
    Schade dass es nicht mehr produziert wird.
    Einen schönen Tag
    Flecko

  • Sehr schöne Vorstellung. :thumbup:
    Auch wenn es schon andere vorgestellt haben, spricht nichts gegen ein eigenes Review, so bleiben die Einzelnen übersichtlicher und Du hast sie ja verlinkt.


    Auf den ersten Blick und gerade im Vergleich zu den anderen Fixed in Deiner Sammlung wirken die Griffschalen des Thiel minimal zu kurz geraten.
    Beim Street Beat hat mich die zu tiefe Fingermulde auch gestört. Ansonsten ist es ein top EDC und die Griffschalen mit das Beste im Sereinmesserbereich.

    Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

    Einmal editiert, zuletzt von Judge ()

  • Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschießen. Super Vorstellung. :thumbup:
    Gruß Merc

    People are tribal. The more settled things are, the bigger the tribes can be. The churn comes, and the tribes get small again.
    IG: @mgph.edc

  • Danke euch :)


    Flecko: Mit dem Gedanken hab ich auch schon gespielt, aber eigentlich liegt es perfekt in der Hand, von daher bleibt es erstmal so.


    Judge: Ich würde auch sagen, dass der Griff kürzer nicht sein dürfte. Aber so kurz wie er ist, ist er immer noch lang genug für vollen Vier-Finger-Griff.


    MEATGRINDER: Das BS Street Bowie ist ja toll. Wenn du das mal loswerden möchtest... :D

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

  • Ein wirklich tolles Review, vor allem deshalb so interessant für mich, weil es um ein Messer geht, das ich bestens kenne. ;)

    MfG, Joachim
    Nachrichten bitte per E-Mail.

  • Judge: Ich würde auch sagen, dass der Griff kürzer nicht sein dürfte. Aber so kurz wie er ist, ist er immer noch lang genug für vollen Vier-Finger-Griff.

    Ich meinte die Griffschalen Richtung Klinge, sie reichen ja (nur) bis etwa zur Hälfte der Fingermulde. Für meinen Geschmack könnten sie etwas weiter ragen.

    Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

    Einmal editiert, zuletzt von Judge ()

  • Jetzt verstehe ich, was du meinst, aber kann dich da "beruhigen": Selbst im Hammergriff liegt mein Zeigefinger immer noch auf der Fläche der Griffschale auf. Ich konnte jetzt auch keine praktikable Griffhaltung finden, bei der das nicht so wäre.

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

  • derLichtschalter


    Tolles Review mal wieder von Dir!
    Du stellst das Messer so vor, dass man sich ein gutes Bild machen kann.


    Würdest du sagen, wenn der Griff des RED von der Länge gerade ausreichend ist, das dieser hier etwas knapp sein wird?
    Auf Deinen Bildern macht es mir den Anschein, als sei er mir etwas zu kurz.

  • Danke für das Lob :)


    Pätte: Die Grifflänge unterscheidet sich um etwa 5 mm (grob geschätzt). Wenn ich beide Fingermulden direkt übereinander lege, dann guckt der Griff des R.E.D. hinten ein bisschen raus - aber eigentlich auch nur die Fangriemenöse, die bei mir sowieso aus der Hand herausragt. Die untere Ecke des Raptor-Griffs liegt auch etwa an der unteren Rundung des Commander-Griffs. Zur Verdeutlichung hab ich dir mal zwei schnell geschossene Fotos angehängt (sorry, die Lichtverhältnisse :rolleyes: ). Man darf sich eben nicht davon irritieren lassen, dass die Griffschalen des Commander vorne kürzer sind (was Judge ja auch schon angemerkt hatte) - da beträgt der Unterschied so etwa 1 cm.
    DSCN3275.JPG DSCN3280.JPG


    Wenn das R.E.D. gerade ausreichend ist, dürfte es das Commander auch sein.

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    --- Andy Stanford, Fight at Night

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