Hochwasserkatastrophe 2021

  • Urban Survival ist momentan leider für viele Mitbürger in der Eifel (aber auch in anderen Regionen Deutschlands und Europas) ein Thema, das quasi über Nacht aktuell wurde.


    Medien berichten von eingestürzten Häusern, 70 Vermissten und offenbar schon einer zweistelligen Zahl bestätigter Todesfälle ;(
    Ich hoffe das es nicht noch schlimmer wird, und das Forenmitglieder die evtl. in der Region leben okay sind.

  • Tauchen macht bei der Brühe besonders viel Spaß. Sichtweite liegt bei knapp 10cm und man muss die Lage der Fahrzeuge bzw Hindernisse erahnen und Befestigungspunkte ertasten. Ausfälle bzw schwerere Verletzungen gab es bisher noch nicht; das einzige was mir Sorgen macht, sind die verstopften Kanaldeckel und die damit verbundene Delta-Pro Gefahr. Deswegen geht es auch nur in 2x2er Teams incl. Funk und Handleine runter (wennes überhaupt geht).

    If you fall, i'll be here
    --Ground

  • Was ist Delta pro Gefahr?


    Ich sitze mitten drin und habe seit 3 Tagen die Gummistiefel nicht mehr ausgezogen. Wenn mir jemand gesagt hätte, daß hier mal Leichen durch die Straßen treiben, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

  • Gullyschächte sind bei Hochwasser lebensgefährlich. Ich glaube es war die Feuerwehr Schwäbisch Gmünd, die vor ein paar Jahren einen Kameraden verloren hat, der in einen Gully eingesaugt wurde und irgendwann später nur noch tot geborgen werden konnte.
    Übrigens trotz Sicherungsleine - die ist einfach gerissen. Da wirken Tonnen auf einen ein, recht schnell gibt da entweder die Leine, oder der Körper des Gesicherten nach...



    Von meiner FF ist seit vorgestern die erste Einheit im Katastrophengebiet in RLP. Muss heftig sein.
    Ein mir bekannter Kamerad aus einer anderen Wehr ist in NRW, der hat schon ein paar Eindrücke in eine geschlossene Facebook-Gruppe geschrieben.
    Schon bei der Anfahrt im Konvoi wurde das Fahrzeug mit Boot herausgelöst, und von der Polizei als Lotse zu einem Rettungseinsatz geführt.
    Da war dem Rest klar, dass es diesmal mehr ist als nur Keller freischaufeln und Sandsäcke schleppen.


    Im Bereitstellungsraum angekommen lautete der erste Auftrag, einen Leichensammelplatz einzurichten.

    Einmal editiert, zuletzt von Mc Bain ()

  • Mal eine Frage in die Runde:
    Welche Tipps habt ihr für freiwillige Helfer?
    Themen:


    - Eigensicherung
    - welches Werkzeug/Material vor Ort sinnvoll?
    - Was hab ich vielleicht nicht auf dem Schirm?


    Hatte dabei:
    - Stirnlampe
    - Taschenlampe


    - Handschuhe (Mechanix)


    - Multitool mit Bits und Ratsche


    - Taschenmesser (Manly)


    - Erste Hilfe Tasche


    - Wanderschuhe (Gummistiefel beim nächsten Mal. Die Sohle hat sich wohl wegen dem Schlammgemisch gelöst)


    - lange Hose 5.11 Styker mit Kniepads
    - Essen und Trinken für den Eigenbedarf
    Bis auf die Erste Hilfe, habe ich vor Ort alles genutzt.

    #0259 Titan
    Kopportunist #0259

  • Basierend auf meiner eigenen Erfahrung bei Fluteinsätzen (Feuerwehr) 2002 und 2013 in Sachsen.


    Zuerst mal wichtige Verhaltensregeln:


    • Nicht mit Händen in den Schlamm greifen, wegen Glasscherben die wirklich überall anzutreffen sind und die man im Schlamm auch nicht sieht. Handschuhe helfen da nur bedingt und sind recht schnell hinüber (bezogen auf Feuerwehrhandschuhe).


      Immer irgendein Werkzeug nehmen. Schaufel, Stemmeisen, Dunghaken etc.
      Auch wenn man z.B. Möbelstücke oder Kühlschränke/Waschmaschinen, die in tieferem Schlamm stehen, anheben oder bewegen will, nicht mit den Händen da rein. Erst die Stelle freischaufeln oder mit einem Stemmeisen anheben etc.
      Wobei Handschuhe natürlich trotzdem ein absolutes Muss sind. Was Mechanix angeht - das sind nach meiner zivilen Erfahrung nicht wirklich die robustesten...



    • Bei dem Schlamm und den hygienischen Verhältnissen kleine Bagatellverletzungen unbedingt ernst nehmen und behandeln lassen. San-Kräfte dürften genug vor Ort sein.



    • Beim Betreten von Gebäuden immer mit Einsturzgefahr oder Durchbruchgefahr durch Bodendielen rechnen. Unvergessen der Moment, wo ein Kamerad vor mir in ein Haus lief und auf einmal bis auf Brusthöhe durch die Bodendielen brach. Der hatte ein riesen Glück, dass er nur leicht verletzt wurde. Da ein Nagel oder dicker Holzsplitter an der falschen Stelle...




    Reichlich Unterwäsche und Socken zum wechseln mitnehmen, Oberbekleidung haben wir im Einsatz kaum gewechselt, weil man nach wenigen Minuten eh wieder aussieht wie Sau und es da nach ein paar Tagen auch nicht mehr interessiert, wie einer riecht.


    Stiefel hatte ich Gummistiefel, allerdings wirklich gute, und Feuerwehrstiefel mit Gore-Tex. Kann nicht mehr sagen was jetzt besser war, bei Hitze sind hohe Wander- oder Kampfstiefel sicher angenehmer, als den ganzen Tag in Gummistiefeln.
    Bei mir hat der Schlamm allerdings auch die Feuerwehrstiefel kaputt gemacht, in meinem Fall das Leder. Hab ich aber erst wirklich nach Ende des Einsatzes (1 Woche) bemerkt.


    Verpflegung dürfte bei dem Kräfteaufgebot vor Ort inzwischen gesichert sein. Isotonisches Getränkepulver oder Magnesiumpräparate schaden sicher nicht. Etwas Süßkram als Nervennahrung auch nicht.


    Irgendwas zur Zerstreuung für die Ruhepausen mitnehmen. Musik, MP3 Player oder so. Man wird nicht überall Internetempfang fürs Handy haben.


    Mückenschutzmittel! Also Autan oder etwas anderes zum Auftragen auf die Haut.
    Mehrere Taschen-/Stirnlampen und Ersatzbatterien.


    Waschpaste oder Feuchttücher für die Hände bzw. aus heutiger Sicht auch ein entsprechendes Desinfektionsmittel.
    Und evtl. Sonnencreme. Also, abgesehen von der spezifischen Ausrüstung wie Werkzeug auch alles, was man mitnehmen würde wenn man längere Zeit outdoor ist.

    4 Mal editiert, zuletzt von Mc Bain ()

  • Das wichtigste hat McBain schon erwähnt. Wie gesagt, Gummistiefel und Handschuhe sind unerlässlich.


    Im Moment werden auch FFP2-Masken wegen des Staubes empfohlen. Essen und Trinken musst Du meiner Erfahrung nach nicht mitbringen. Überall wo ich war, war die Verpflegung sowohl durch staatliche Stellen als auch durch private Helfer top.


    Check mal Deinen Impfstatuts, speziell auf Tetanus. Da liegt viel Schrott rum.


    Und informiere Durch bei den Behörden wo und wie Hilfe benötigt wird. Für RLP gibt es ein Portal bei dem man seine Hilfe anbieten kann: https://fluthilfe.rlp.de/
    Fahr nicht mit dem PKW direkt in die Orte sondern nutz die Shuttlebusse. Die Straßen sind leider so verstopft, dass BOS kaum noch durchkommen.

  • Kommt drauf an was Du als freiwilliger Helfer machst. Gummistiefel sind eine gute Empfehlung, aber Du wirst nasse Füße bekommen. Fußpuder und/oder trockene Socken sind unerlässlich für das Wohlempfinden. Nirgends rumklettern (Geländer, Brüstungen, ..), da diese unterspült sein können, .. Haltet euch an das, was die erfahrenen Rettungskräfte euch sagen, macht keine Alleingänge und versucht nicht den Helden zu spielen. Letzte Woche hab ich zwei gesehen, die haben sich gegenseitig mit einem Seil gesichert. Einem fast 20m langen Seil, das sie sich um die Hüften gebunden haben.
    Lass Dich einfach einteilen, frag was Du machen kannst und sei vorsichtig. Spätestens nach dem ersten Tag fallen Dir sowieso mind. 3728 Sachen ein, die Du unbedingt gebraucht hättest.

    If you fall, i'll be here
    --Ground

  • Danke für eure Antworten.


    Denke hier und da werde ich etwas mehr mitnehmen.


    War am letztes Wochenende einen Tag vor Ort.
    Hatte alte Mechanix dabei. Am Ende des Tages hatte ich ein Loch am Zeigefinger. Schiebe ich primär auf das Alter in Kombination mit dem Schlammgemisch.


    War auf jeden Fall froh Handschuhe dabei gehabt zu haben.


    Essen und Trinken gab es vor Ort. Hatte auch mehr für die Anwohnter mitgebracht.


    Überlege mir ein kleines Brecheisen oder ähnliches zu kaufen, um Möbel, Gartenzäune usw. leichter auseinander zunehmen.
    Mal schauen was ich günstiges im Netz finde.


    Gummistiefel sind bestellt. Hier in der Region bekommt man derzeit nichts mehr.

    #0259 Titan
    Kopportunist #0259

  • Letzten Samstag haben wir einen kleinen Konvoi in die Gegend gefahren. Decken, Kinderspielzeug, Anziehsachen, Heu und Futter für alle möglichen Tiere. Da war alles noch sehr "frisch".
    Ich habe einige Kunden in der Richtung Ahrweiler, daher hatten wir die Möglichkeit (geleitet von einem Freund, der als Feuerwehrmann vor Ort war) die Güter vor Ort abzuladen.
    Bei uns waren die zwei Dieselkanister sehr begehrt.
    Jetzt, wo alles einigermaßen "steht" scheint es einfach sinnvoll zu sein DA zu sein, anzupacken.
    Die Vorredner haben das alles echt klasse erklärt, was man benötigt.
    Was man nicht vergessen darf ist, dass es einfach nicht in 10 Tagen fertig ist!
    Und jetzt ist die Zeit, wo viele Familien beginnen zurückzukehren.
    Auch die Kinder, die das oft nicht einordnen können.
    Manchmal hilft ein Gummibärchen um ein Lächeln zu bekommen.
    Beste Grüße vom Cowboy

    "Wir sind wohl alle für das geschaffen, was wir tun" - Ernest Hemingway

  • Manchmal hilft ein Gummibärchen um ein Lächeln zu bekommen.


    Zumindest davon gibt es zum Glück jede Menge im Gebiet. Haribo hat sein Werk in einem Nachbarort von Ahrweiler und ist extrem spendabel. Bei denen ist auch eines der großen Sortierzentrum für die eingegangenen Spenden.


    (Soll natürlich Deine Aussage nicht negieren. Wollte nur einen kleinen Fun-Fact anmerken)

  • (Ohne Rücksicht auf 42a) würde ich ein gutes stabiles Fixed mitnehmen, in der Preisklasse das es auch zu verschmerzen wäre wenn weg; und ein Opinel o.ä. welches rein für meine persönliche Verpflegung dient.


    Als "Brecheisen" im erweiterten Sinn das Stanley Fubar, vielleicht das in der der Größe eines Zimmererhammers.


    Ich war 2002 in Passau als Gefreiter dabei bis ich mir wohl über Hautkontakt Salmonellen eingefangen habe (was nicht alles möglich ist).

  • Moin


    Auch Wenn ich mich Unbeliebt mache , den Profi Helfern NICHT im Weg Stehen .


    Gruß Wulfher

    Lieber im Sumpf Übernachten,als über Nacht Versumpfen :D

  • Gute Anmerkungen hier. Die Schwierigkeiten bestanden vor allem in der Kommunikation ohne Handynetz und ohne Festnetz /WLAN. Handy ging am Folgetag wieder, Internet und Festnetz stellenweise angeblich ab Mitte August erst wieder zu erwarten.


    Wechselklamotten. Die FF Kall hat sofort ihr Gerätehaus geflutet bekommen, so daß trockene Stiefel und Kleidung nicht vorhanden war. Drei Tage nasse Stiefel führten zu Immersionsfüßen wie im Ersten Weltkrieg. Bei 100%Luftfeuchtigkeit und Stromausfall gibt es keine Möglichkeit, Klamotten oder gar Stiefel zu trocknen. Zumindest zwei Paar Socken hätten das etwas erleichtern können.
    Energie. Katastrophenschutzkräfte werden regelhaft nach 72h rotiert, weil sie platt sind. Ich habe am dritten Tag der schweren Arbeit gemerkt daß die Kraft fehlt. Immer nur ein Brot auf der Faust und dann weiterhetzen geht nicht. Essen auch wenn man keinen Hunger hat. Gerne zwei warme Mahlzeiten pro Tag falls verfügbar. Danach ging es deutlich besser.
    Get home bag. Ich habe umfangreiches Material in meinem Auto. Das wurde weggeschwemmt...aufgrund der Strömung konnte ich weder nach Hause gehen, daß ist auf der anderen Seite des Bachs. Noch meine Sachen aus dem Auto holen. Ich habe bei Freunden auf dem Sofa übernachten können und bin gut versorgt worden. Dabei war mein Auto nur auf der anderen Straßenseite geparkt, gegenüber dem Gebäude was wir versucht haben zu verteidigen. Keine Chance mehr dranzukommen.


    Ein Helfer ist ertrunken vor den Augen der Feuerwehr, weil er eine andere Frau gerettet hat.
    Grausame Szenen.


    Werkzeug. Ein Feuerwehrbeil und schwere Handschuhe. Gummistiefel DIN S3 bzw ich hatte meine Motorsägenstiefel an, optimal alldieweil guter Schutz und brutales Sohlenprofil. Leuchtgelbe wasserdichte Jacke um nicht überfahren zu werden.
    Bei Ausräumen der Häuser hinterher Akkuschrauber. Mit einer Akkuladung bekommt man ne Menge Küchen auseinander.
    Schaufeln, Schubkarre stabile Eimer.
    Beim Betreten der wassergefüllten Straßen immer mit der Schaufel vorsondieren. Ich wäre einmal reingefallen, da war der Bürgersteig einen Meter tief weggespült.


    Beim Aufräumen jetzt waren die Häuser voller Schimmel angeblich, aber garantiert voll Fäkalien und im Mechernicher Bleiabbaugebiet voller Bleistaub aus dem Schwemmsand. Es trocknet, man stampft 1000x durch.... Es staubt. Heizöl überall.


    Mehr folgt wenn ich mehr überlegt habe.

  • Aus mehr oder weniger aktuellem Anlass: Nicht in schnell fließendes Wasser gehen. Auch nicht "nur etwas" oder "nur bis dahin". Wenn man auf dem Wasser eingesetzt ist und jemanden aus den Fluten retten will, dann nur indem man der Person etwas zuwirft oder reicht (Rettungsleine, Restube, Rettungsstange, ..) und sie so in ruhigeres Gewässer zur Rettung zieht. Eine erschöpfte/panische Person allein ins Boot ziehen zu wollen, funktioniert nicht. Im schlimmsten Fall ziehen sie einen über Bord.
    Ansonsten wie hanomag schon gesagt hat: Energie tanken. Essen wenn es was zu essen gibt, nicht stehen wenn man sitzen kann, nicht sitzen wenn man liegen kann und nicht wach bleiben wenn man schlafen kann. Klamotten so oft wie möglich wechseln, Füße und Hände trocken halten bzw. abtrocknen. Wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr. Ende. Wenn man etwas traumatisches erlebt hat, dann mit irgendwem darüber reden. Freund, Freundin, Seelsorger, .. Mit wem spielt keine Rolle, solange es unmittelbar danach ist.

    If you fall, i'll be here
    --Ground

  • Moin


    Auch Wenn ich mich Unbeliebt mache , den Profi Helfern NICHT im Weg Stehen .


    Gruß Wulfher

    Absolut.
    Verstopfte Straße wegen Leuten die allein im Auto sitzen...nervtötend. Ich muß allerdings sagen, daß sehr viele junge Leute geholfen haben. Oft kam ein Auto an mit 5 Leuten besetzt, 2 Kerlen gestählt aus dem Fitneßstudio und 3 Frauen, alle schon dreckig ohne Ende, fragen wo sie anpacken können. Es kamen Städter die in Einwegverpackungen Essen frisch gekocht haben und dann verteilten. Das war schön zu sehen. Alle alten Traktoren wurden reaktiviert. Überall wurde geschaufelt. Es gingen Kolonnen von Haus zu Haus, jedes wurde leergeräumt dann ging es zum nächsten. Garten und Landschaftsbauer im Dauereinsatz. Jeder Bagger lief. Kein LKW fuhr unter 100kmh. Ladungssicherung? Och nö. Fahrtenschreiber? Schwarz wie Briketts. Polizei? Sieht zu daß alles am Rollen bleibt. Schwere Radlader auf der Straße zu sehen. Die Aufräumarbeiten waren toll anzusehen. Es gibt noch ein Dorf, wo nur eine Hälfte Strom hat. Die Hausfrauen und Rentner sammeln Wäschekörbe ein und bringen alles sauber zurück.
    Nach anderthalb Jahren Isolation rückt alles wieder schnell zusammen. Schon am ersten Abend standen Nachbarn zusammen mit einem Bier in der Hand,auch zur Verarbeitung des ganzen.

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