Cutter-Tag

  • Aufgrund altersbedingt nachlassender Hörleistung und meiner Ruhrpott-Herkunft hat sich heute ein kleiner Irrtum eingeschlichen:


    Statt "Vatta-Tag" dachte ich, endlich sei der Feiertag schneidfreudiger Eisenwaren eingeführt worden als "Cutter-Tag"...und dem müsse gefälligst mit einem kleinen vergleichenden Schneidtest gehuldigt werden, nachdem mich unglaublicherweise heute um Nullachthundert ein unsäglicher Spielmannszug aus dem Bett geworfen hat, der etwa geklungen hat, als würde ich mit voller Ausrüstung ne Treppe runterfallen.....


    Die Sache war vor allem auch Schritt 1 des erbetenen Erfahrungsberichts zum Bastinelli Raptor R.E.D., einem ausgesprochenen Schneidwerkzeug. Das Messer werde ich NICHT als Steighilfe oder Öffnungswerkzeug verwenden, dafür ist DIESES Messer im Gegensatz zur Schar der Einsatz-Viertelzöller nicht gemacht (....es sei denn, es bricht gerade mal wieder irgendwas Großes von irgendeiner Klingenwurzel ab....). Das R.E.D. wird jedenfalls bei mir als Schneidwerkzeug / Backup geführt und in den anderen Bereichen von separaten Werkzeugen ersetzt....


    Die ganze Sache hat dann hinsichtlich der Auswahl der Vergleichsmesser erst einmal uhrzeit- und spielmannszugtraumabedingt qantitativ moderat angefangen, allerdings bin ich auch sofort ziemlich hoch eingestiegen:



    Eingestiegen bin ich mit dem ProTech / Brend "Combat Companion" mit einer im Direktvergleich zum Bastinelli deutlich geringeren Werksschärfe.


    Dann mußte ein Spyderco Matriarch ran, sozusagen im "Dreiecksvergleich" mit einer schnöden Opinel-Hippe (diese allerdings zu Hause ein wenig nachgeschärft....). Nun ist ja der Spyderco-Wellenschliff sozusagen "kraft Definition" DER Seil- und Gurtkiller...aber, was soll ich sagen....Seilschneiden auf einer Unterlage war mit dem Bastinelli deutlich einfacher...und dann hat auch noch die wenig taktische und vergleichsweise spottbillige Hippe mit glatter Schneide das Seil deutlich angenehmer und mit weniger Kraftaufwand durchtrennt als das Spydie....Meine Meinung, bei dem Gartengerät handele es sich um ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug mit allerlei Nutzen, hat sich wieder einmal bestätigt....


    Ebenfalls ran mußte das CRKT Otanashi Noh Ken, einer meiner derzeitigen Lieblingsfolder mit wunderbarer Penetrationsleistung. Die Schneidleistung ab Werk war dem Bastinelli unterlegen, ich werde dieses Messer professionell nachschärfen lassen und weiß auch schon, von wem:


    Natürlich ist der Direktvergleich nicht ganz fair, aber das Ergebnis war schon interessant und eigentlich auch schon wieder ein Lob für das R.E.D.: Im Direktvergleich ziemlich vergleichbar in der Schneidleistung (um genau zu sein, ein wenig besser :) ) war das Eickhorn GTK in einer Sonderausführung, fachmännisch nachbearbeitet von Martin Stierlin von Blade-Systems.
    Er hat dem Messer ein wunderbares Ätz-Finish verpaßt, es gibt meines Wissens außer dem Exemplar von ProHunter und meinem derzeit keine weiteren :), und er hat vor allem auch die Gelegenheit genutzt, nach meiner Vorgabe ("Martin, maximale Schärfe, ist nicht als Feldmesser vorgesehen....") das Messer mit seinen Fähigkeiten nachzuschärfen.


    Meine gute Meinung von 440C / Böhler N695 bezüglich Schneideigenschaften und - so ganz nebenbei :) - vor allem auch von Martins Fähigkeiten hat sich erneut bestätigt, das Messer schneidet wie der Teufel.


    Es ist aber bemerkenswert, daß das Bastinelli im Direktvergleich kaum mehr Druck genötigte. Zudem liegt es - vor allem im Säbelgriff - auch unter Schneidbelastung wirklich sehr gut in der Hand!



    Der Tag war jung, die Neugier angestachelt, die Auswahl wurde ein wenig größer :)


    Positiv überrascht war ich von der Schneidleistung des (ebenfalls zu Hause nachgeschärften) CS Scimitar Spike. Die Klinge ist ein wenig höher als bei den anderen Spikes und bietet daher einen etwas schneidfreudigeren Winkel. Das Ergebnis steht dafür. Weitere positive Überraschung war das Fox Forest Camping/Military.


    Erwartungsgemäß gut schnitt das kleine Al Mar Mini SERE Operator Fixed, auch die Schneidleistung des immerhin viertelzölligen Raidops war nicht schlecht, der Gerber AF Combat Folder und das CS TiLite hielten sich ebenfalls ordentlich - alle genannten Messer lagen aber hinsichtlich der benötigten Schneidenlänge oder des benötigten Andrucks für ein Durchtrennen des Seils in einem Zug hinter dem Bastinelli.


    Für ein Messer, das mit Werksschärfe mit dem Bastinelli mithalten konnte, mußte ich schon einigermaßen in die Trickkiste greifen und ein altes SOG Recon Bowie hervorzaubern, das nicht nur wunderschön ist, sondern auch höllisch gut schneidet.



    Ein interessanter Vergleich war auch noch der zwischen 2 GTKs, dem schon gezeigten mit Schliff von Martin von Blade-Systems und einer Originalverion, der Matthias "Geronimo" schneidleistungsmäßig auf die Sprünge geholfen hat. Auch nach "Geronimos" Behandlung konnte das GTK (...das nicht den feinsten Werksschliff hat, um das mal so diplomatisch zu bezeichnen...) mit dem Bastinelli mithalten und lag wohl nur deshalb knapp hinter dem BS-geschliffenen, weil es nach dem Schärfen im Gebrauch schon einiges geschnitten hat. Bei beiden Messern zeigte sich ein deutlicher Wert einer professionellen Nachbehandlung und ein Vorsprung vor der Schneidleistung der meisten Messer mit Werksschliff.


    Das bestätigte sich auch bei anderen Modellen, die Martin von BS schon einmal für mich nachgeschliffen hat:
    Vergleichsweise sehr gut schnitten auch das Buck Strider ML und der Kizlyar Stalker 2, die schon bei ihm "in Behandlung" waren. 420HC von Buck wird ja zuweilen als "Billigstahl" gescholten - allerdings sehe ich bei solchen Vergleichen immer wieder, welche Schärfe man da fachmännisch herauskitzeln kann!


    Insgesamt bin ich mit dem Direktvergleich der Schneidleistung bezüglich des Bastinelli schon bei Werksschärfe SEHR zufrieden.
    Und ein paar der Messer aus dem Vergleichsschneiden werde ich bei nächster Gelegenheit zu Martin senden, insbesondere das Otanashi, um sie auf optimale Leistungsfähigkeit bringen zu lassen....


  • Hallo Micha,


    schöner Bericht, danke dafür :) Das R.E.D. wird für mich immer interessanter :D kann mich nur noch
    nicht so recht zwischen der stonewashed und der PVD version entscheiden :S

    In Dubio Pro Reo

  • Schöner Bericht, habe herzhaft lachen müssen bzgl. deines Spielmannzugtraumas. :D Danke dafür.
    Werde das Gefühl nicht los, dass sich da ein neues Lieblingsmesser herauskristallisiert hat.
    Positiver Nebeneffekt deines Berichts: Meine Wunschliste hat sich um eins erhöht und was noch schöner ist...da es im erschwinglichen Bereich ist, kann ich mir den Wunsch auch erfüllen. :thumbup:


    Wünsche noch einen schönen restlichen "Cutter-Tag" (bin für die Einführung als gesetzlicher Feiertag).

    Einmal editiert, zuletzt von TecNick ()

  • Dein Bericht ist mal wieder erstklassig, auch ich kann die schneidfreudigkeit des Bastinellis bestätigen :thumbup: .


    Dank Michas Vorstellung des Bastinelli R.E.D. habe ich mir auch so ein Teil zu gelegt (danke noch an Mathias). Das Messer ist richtig klasse.


    Stofftier
    bei mir wurde es ein stonewashed Modell ;)

  • Jeder 09.05 im Jahr wird nun der offizielle "Cutter-Tag" sein, eine neue Tradition ensteht und in 200 Jahren wird niemand mehr den Vatertag kennen.


    Ohne Spaß, danke für den Bericht.Die Vergleiche sind gut und endlich erfahre ich mal etwas zum Bastinelli.


    Grüße,
    Daniel

  • Danke Micha für diesen ausführlichen Schneidtest! Was mich persönlich interessieren würde: Du hast geschrieben, dass viele deiner Messer umgeschliffen wurden von Martin und anderen. Welche Änderungen wurden dabei an den Messern vorgenommen? War es nur das Anbringen einer scharfen Schneide oder eine grundlegende Veränderung der Klingengeometrie hin zu einem spitzeren Winkel? Das R.E.D. scheint ja ein wahrer Schneidteufel zu sein bei der Klingenstärke und dem Komplettflachschliff. Zwar fehlt mir im Moment das Geld, aber das Bastinell ist auf der Einkaufsliste.


    Gruß
    Carsten

    "It is useless for sheep to pass resolutions for vegetarianism, as long as the wolves remain of a different opinion." William Ralph Inge

  • Danke Micha für diesen ausführlichen Test. Die Änderungen von Martin bezüglich der Schneiden, würden mich auch mal interessieren.
    Dank dir steht das Bastinelli auf der "Haben wollen"-Liste, aber nicht das R.E.D. sondern die Skelett-Version. Ich kann mich mit einem so ausgeprägten Subhilt einfach nicht anfreunden. :thumbup:


    Gruß Merc

    People are tribal. The more settled things are, the bigger the tribes can be. The churn comes, and the tribes get small again.
    IG: @mgph.edc

  • Die Serienmesser wurden von Martin nicht komplett "umgeschliffen", sondern jeweils geschärft.
    Das Buck-Strider ML hat allerdings statt der oberen Schor eine Rückenschneide bekommen....

    Einmal editiert, zuletzt von Micha M. ()

  • Und ich dachte schon du hättest den Vatertag mit dem Futtertag verwechselt ;)

    "Konstrukteur von titanenhaften Endzeitwaffen" + "mit empfindlichem Magen"
    Juchten, 2011 + Der Uffpasser, 2012 ;)

  • Für mich selbst fand ich auch interessant, daß ein gutes, professionelles Schärfen für die Schneidleistung deutlich mehr ausmachte als Klingenstärke. Das Buck Strider ML hat fast 7 mm Rückenstärke, war aber im Direktvergleich eines der schneidfreudigsten Messer.


    Und bei allen Vergleichen wurde auch wieder einmal deutlich, daß man durch professionelles Nachschärfen wirklich noch "Leistungsreserven" aus den Messern herausholen kann.


    Was das Bastinelli angeht, nimmt man beim Arbeiten fast automatisch den Säbelgriff ein, die Griffgestaltung und der niedrige Klingenrücken laden dazu ein - und das Messer liegt dann wirklich sehr gut in der Hand.

  • Ich kann von mir nur sagen, ich habe einene Sharpmaker, einen Keramik Schärfstab und auch ein Lansky. Trotzdem schicke ich meine Messer lieber weg wenn ich die mal wieder "Endscharf" haben will.

  • Im Prinzip lässt sich jedes Messer aus einem gängigen Messerstahl auf sauscharf bringen, was mich mehr interessiert ist die Schnitthaltigkeit. Kannst du ein paar Angaben dazu machen Micha?

    vae victis

  • Danke für die Info Micha. Aus meiner Erfahrung sind viele Messer ab Werk mit einem teils eher meißelartigen Schneidenwinkel versehen. Da macht auch nur ein geringfügiger Umschliff Sinn, denn auch ein rasierscharfer Meißel hat eine besch****ene Schneidgeometrie. Das ist auch der Grund, warum ich immer noch für das RD9 schwärme, dass du mir mal vor einigen Jahren verkauft hast: Viertelzöller mit einem feinen Schneidwinkel unter 30 Grad. :)


    Gruß
    Carsten

    "It is useless for sheep to pass resolutions for vegetarianism, as long as the wolves remain of a different opinion." William Ralph Inge

  • Tolles Messer ! Danke für den Test werd mir auch eins machen oder zulegen ;) !

    "Die Einen schwimmen mit dem Strom, die Anderen gegen den Strom. Ich steh im Wald und finde den blöden Fluss nicht ! "

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